Gemäss einem Modell existieren in einem Unternehmen drei ganz unterschiedliche Arbeitswelten. Diese drei Arbeitswelten werden in Form eines «Unternehmensberges» mit den drei Zonen «Resignation», «Zufriedenheit» und «Commitment» beschrieben. Der Beitrag beleuchtet diese Zonen und skizziert Ableitungen daraus für Führungskräfte.
Im Laufe von mehr als 17 Jahren Forschungs- und Beratungstätigkeit in Schweizer und Liechtensteiner Unternehmen auf der Grundlage von Mitarbeitendenbefragungen hat sich ein Arbeitswelten-Modell herauskristallisiert, das drei ganz unterschiedliche Arbeitswelten beschreibt. Diese drei Arbeitswelten können in Form eines «Unternehmensberges» mit den drei Zonen «Resignation», «Zufriedenheit» und «Commitment» bildlich dargestellt werden. Eine wissenschaftliche Analyse auf der Basis von über 150 Mitarbeitendenbefragungen und mehr als 35 000 Mitarbeitenden in der Schweiz und Liechtenstein belegt erstmals evidenzbasiert, mit welchen Themen sich die Mitarbeitenden in den drei unterschiedlichen Mindset- Zonen auseinandersetzen. Gestützt auf diese neuen Erkenntnisse erhalten Führungskräfte Aufschluss darüber, auf welche Themen sie ihren Fokus legen sollen.
Commitment als Ziel
Jede Führungskraft wünscht sich sämtliche Beschäftigte in der Commitment-Zone. Das heisst, dass die ganze Energie der Mitarbeitenden auf das Erreichen der Unternehmensziele gerichtet ist und dass sie sich nicht an organisatorischen Rahmenbedingungen oder am sozialen Umfeld im Unternehmen aufreibt.
Dass dieser Idealzustand einer gesamten Mitarbeitendenbasis in voller produktiver Energie ein frommer Wunsch bleibt, selbst in der Schweiz, die sich weltweit durch eine der höchsten Arbeitszufriedenheiten und Commitment auszeichnet, ist jedem klar. Weder die Mitarbeitenden noch die Arbeitswelten in Unternehmen sind perfekt oder passen hundertprozentig zusammen. Zu dynamisch und unberechenbar geht es in Unternehmen zu und her. Zu unterschiedlich sind die Mitarbeitenden, die sich in Unternehmen begegnen. Gerade deshalb sollten Unternehmen es zu einer zentralen Aufgabe machen, ihre Arbeitswelt so zu gestalten, dass möglichst viele Mitarbeitende sich committen beziehungsweise sich in der «Commitment-Zone» aufhalten. Wichtige Key Performance Indicators (KPIs) von Unternehmen sollten daher in einen Commitment-, Zufriedenheits- und Resignations-Index differenziert werden. Diese sollten regelmässig in Form von Mitarbeitendenbefragungen gemessen werden.
Dass sich diese Aufgabe auszahlt, zeigen unzählige wissenschaftlichen Studien. Es ist erwiesen, dass committete Mitarbeitende motivierter sind, sich für das Wohl ihres Unternehmens einsetzen, bereit sind, eine höhere Arbeitsleistung zu erbringen, mehr Veränderungswillen zeigen, über eine höhere Resilienz gegen-
über äusseren Einflüssen verfügen und weniger schnell ihren Arbeitgeber verlassen als andere Mitarbeitenden.
Standortanalyse
In Mitarbeitendenbefragungen von icommit wird für jedes Team, jede Abteilung und das gesamte Unternehmen ermittelt, in welcher Zone sich die Mitarbeitenden
befinden. Je nach Zone braucht es einen anderen Prozess zur Verbesserung der Arbeitswelt. Erstmals haben wir aufgrund von mehr als 150 Mitarbeitendenbefragungen pro Jahr in Schweizer und Liechtensteiner Unternehmen statistisch ermittelt, welche Stellschrauben der Arbeitswelt die Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Zone am meisten beschäftigen. Das auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis: Betrachten wir nur die vier wichtigsten Treiber zur Verbesserung der Arbeitssituation für jede Zone, so fällt auf, dass von den zwölf Dimensionen nur eine einzige Dimension in zwei Zonen vorkommt. Damit wird deutlich, wie wichtig es ist, zu wissen, in welcher Zone sich die jeweilige Organisationseinheit befindet, denn je nach Zone ist ein völlig anderer Ansatz zur Verbesserung erforderlich.
Die Mindset-Zonen
Die Zufriedenheits-Zone
Wenn Mitarbeitende in ein Unternehmen neu eintreten, befinden sie sich in der Regel in der Zufriedenheits-Zone. Sie haben sich für diesen Arbeitgeber entschieden und freuen sich, dort tätig zu werden. Die Zufriedenheits-Zone stellt in der Bergmetapher das Basislager dar. In dieser Zone geht es darum, dass der Mitarbeitende die Ausrüstung erhält und sich fit macht, um sich bewusst in die Commitment-Zone zu begeben, in der Risiken und Herausforderungen, aber auch Erfolge wie positives Feedback und begeisterte Kunden warten.
Die statistische Analyse der wichtigsten Treiber zeigt erwartungsgemäss, dass für diese Mitarbeitendengruppe die organisatorischen Rahmenbedingungen im Vordergrund stehen, insbesondere die folgenden Themen: «Zusammenarbeit im Unternehmen», «Strukturen und Abläufe», «Führungskraft» und «Agilität». Mit anderen Worten: In dieser Zone ist die Führungskraft ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Sie ist verantwortlich, dass der Mitarbeitende alle Voraussetzungen erhält, um sich in die Commitment-Zone aufzumachen und Grosses für das Unternehmen zu erreichen. Wir sehen das Basislager daher auch als eine Art «Tankstelle», an der durch Vertrauen, Sicherheit und Wertschätzung immer wieder Energie für die Expedition in die Commitment-Zone getankt wird und die notwendige Erholung möglich ist.
In dieser Zone kann sich aber auch Unzufriedenheit ausbreiten. Icommit unterscheidet dabei noch zwischen konstruktiver Unzufriedenheit, die für das Unternehmen positiv ist, und fixierter, destruktiver Unzufriedenheit, die das Arbeitsklima zerstört. Besonders gefährlich wird es, wenn die Unzufriedenheit chronisch wird und es dem Mitarbeitenden nicht gelingt, sich für den Aufbruch in die Commitment-Zone zu rüsten. So kann es vorkommen, dass der Unzufriedene sich so stark an den Rahmenbedingungen stört, dass er den Weg zur Bergspitze gar nicht mehr auf sich nimmt.
Den statistischen Analysen zufolge ärgern sich die Unzufriedenen über kräftezehrende Schnittstellen, unklare Zuständigkeiten und zeitraubende Prozesse und Verfahren. Ausserdem beklagen sie eine mangelnde Agilität im Arbeitsumfeld, keine adäquate Fehlerkultur, kein Ausprobieren neuer Ideen und die Unmöglichkeit, selbständig Entscheidungen zu fällen. Schuld an dieser Misere geben sie der Führungskraft. Bei der Führungskraft kritisieren sie insbesondere das fehlende Feedback zu den eigenen Leistungen und die unzureichende Anerkennung. Die Führungskraft ist hier also gefordert, die Mitarbeitenden in die Kraft zu bringen.
Wenn die Zufriedenheits-Zone zur Unzufriedenheits-Zone wird, birgt dies ein grosses Gefahrenpotenzial für das Unternehmen. Denn es kann zu korrosiver Energie, schlechtem Arbeitsklima bis hin zu Kündigungen oder Burn-out kommen.
Die Resignations-Zone
Gelingt es über längere Zeit nicht, dass der unzufriedene Mitarbeitende seine Zufriedenheit wieder findet, besteht die Tendenz, in die Resignations-Zone abzugleiten, vorausgesetzt, dass der Mitarbeitende das Unternehmen nicht verlassen hat. Die statistische Analyse der wichtigsten Treiber offenbart bei dieser Mitarbeitendengruppe ein völlig anderes Bild als noch zuvor in der Zufriedenheits-Zone. Hier sind es nicht die organisatorischen Rahmenbedingungen, die stören, sondern das soziale Umfeld beziehungsweise das Zugehörigkeitsgefühl, das zu den Mitmenschen fehlt. Dies kommt in folgenden Themen stark zum Ausdruck: «Team», «Führungskraft», «Einbindung der Mitarbeitenden» und «Mitarbeitendenförderung».
Der resignierte Mitarbeitende fühlt sich weder in das Team integriert noch von der Führungskraft unterstützt. Er ist sozial isoliert und möchte am liebsten nicht gestört werden. Er behält seine Meinung für sich, weil er das Gefühl hat, dass er ohnehin nicht gehört wird. Aufgrund seiner Isolation fühlt er sich nicht mehr in das System eingebunden und denkt, dass niemand ihn fördern will.
Es ist für Führungskräfte nicht leicht, Mitarbeitende aus der Resignations-Zone herauszuführen. Der resignierte Mitarbeitende hat meist die Hoffnung verloren und glaubt nicht an eine positive Zukunft im Unternehmen. Er sieht die Arbeit als eine Pflicht. Oft fehlt es an der grundsätzlichen Bereitschaft, sich stärker zu engagieren. Nicht selten kommen Aussagen, wie: «Nicht schon wieder eine Reorganisation. Das haben wir doch schon unzählige Male erlebt und es hat nichts gebracht.» Oder: «Dieser neue, junge Chef kommt mit so vielen neuartigen Ideen, die doch sowieso nichts bringen.» In dieser Zone ist eine Verstärkung des Dialogs entscheidend. Ziel muss sein, dass der Resignierte wieder häufiger seine Stärken zur Geltung bringen kann, seine Erfahrungen genutzt werden und ihm der Nutzen allfälliger Veränderungen verständlich gemacht wird. Der Resignierte muss vermehrt spüren, dass er geschätzt wird und sein Beitrag wichtig ist und er aktiv eingebunden wird.
Die Commitment-Zone
Die Commitment-Zone ist diejenige Zone, in der das eigene Wachstum an den aktuellen Aufgaben sowie die Marktperspektive im Fokus stehen. Die Themen «Unternehmensstrategie», «Umgang mit Veränderungen», «Arbeitsinhalt» und «Kundenorientierung» sind essenziell. Dabei spielen weder die organisatorischen Rah-
menbedingungen noch das soziale Umfeld mit dem Team und der Führungskraft eine wesentliche Rolle. Diese Faktoren unterstützen die Tätigkeiten committeter Mit-
arbeitenden, bedürfen aber aus deren Sicht keiner besonderen Aufmerksamkeit.
Der committete Mitarbeitende zeichnet sich dadurch aus, dass der Hauptdarsteller auf seiner geistigen Bühne die Unternehmensstrategie ist. Dies ist kein Wunder, denn er muss genau wissen, welchen Berggipfel er erklimmen soll. Dass die Strategie in der heutigen Zeit, die durch die Vuka-Welt geprägt ist, sich immer wieder leicht verändern kann, ist für den committeten Mitarbeitenden klar. Deshalb muss er seinen Weg zum Gipfel stets ein wenig anpassen. Dass er sich dessen bewusst ist, bringt auch der zweitwichtigste Treiber zum Ausdruck. Er weiss, dass Veränderungen notwendig und nützlich sind, wenn das Unternehmen seine Zukunftsfähigkeit erhalten will.
Darüber hinaus stehen im drittwichtigsten Themenfeld des Committeten – dem Arbeitsinhalt – seine Kompetenzen und Fähigkeiten im Fokus. Diese braucht er, um seine Ziele wirklich zu erreichen. Und schliesslich stehen natürlich die Kunden im Mittelpunkt. Nur wenn er diese begeistern kann, kann er sein Ziel erreichen. Er ist sich bewusst, dass er und seine Arbeitskollegen und -kolleginnen idealerweise noch kundenorientierter sein sollten, um die immer heterogeneren Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen. Mit diesen Themen im Fokus ist klar, dass in dieser Zone die grösste organisationale Produktivität erbracht wird. Hier gibt es kaum korrosive Energie, die den Committeten schwächt.
Fazit
Die Analyse macht deutlich, dass Führungskräfte, deren Teams sich hauptsächlich in der Zufriedenheits- oder Resignationszone befinden, besonders gefordert sind. Es lohnt sich also, durch Mitarbeitendenbefragungen herauszufinden, wie gross die Commitment-, Unzufriedenheits- und Resignationsenergie sind, um entsprechende Lösungen herbeizuführen.
Autorenbeschrieb
Von Sven Bühler, Arbeitswelten Visionär
Sven Bühler, lic. phil., Psychologe, versteht sich als Arbeitswelten Visionär und ist Inhaber des Beratungs- und Befragungsunternehmens icommit, das jährlich die Befragung zum Swiss Arbeitgeber Award durchführt. www.icommit.ch, www.swissarbeitgeberaward.ch
Originalbeitrag zum Herunterladen
Dieser Beitrag erschien in der November / Dezember 2022 Ausgabe im KMU Magazin.
Beitrag als PDF-Download verfügbar: Welche Erfolgsfaktoren Führungskräfte beachten sollten