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Das Schlagwort «Agilität» geistert schon seit mehreren Jahren durch Unternehmensstrategien und Entwicklungskonzepte. Aber wozu braucht es mehr Agilität? Die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen zum Swiss Arbeitgeber Award 2019 geben Aufschluss.

«Wir müssen agiler werden» – auch traditionsbewusste Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass starre Strukturen und überalterte Abläufe in einem schnell veränderlichen Marktumfeld wenig zu suchen haben. Nicht nur grössere Organisationen treffen hier ganz offensichtlich auf eine grosse Herausforderung. Was Agilität in der konkreten Umsetzung bedeutet, kann dabei sehr unterschiedlich sein. In vielen Fällen bedeutet «agiler werden» auch einen tiefgreifenden Kulturwandel.

Bei den Mitarbeitenden mag die Forderung nach mehr Agilität zunächst Unsicherheit auslösen. Das ist normal und verständlich. Veränderungen jeder Art stossen in der Regel erst einmal auf Widerstand. Wenn Veränderung zum zentralen Element der Unternehmensstrategie wird, umso mehr. Agilität darf jedoch nicht mit unklaren oder gar fehlenden Strukturen verwechselt werden. Sie hat vielmehr mit der Fähigkeit einer Organisation zu tun, Veränderungen vorherzusehen und dynamisch damit umzugehen. Agiles Handeln erfordert kurze Entscheidungswege und ein hohes Mass an Vertrauen in die Belegschaft. Es geht darum, wie die Verantwortung im Unternehmen verteilt ist. In einer agilen Organisation verlässt das Management seine klassische Führungsrolle, um vielmehr die Rahmenbedingungen für selbstgesteuerte Teams zu schaffen. Die Dezentralisierung der Verantwortung kann auch strukturelle Wechsel mit sich bringen. Hier ist das HR gefragt, um mit transparenter Kommunikation für ein vernünftiges Change Management zu sorgen.

Agilität darf nicht mit unklaren oder gar fehlenden Strukturen verwechselt werden. Es geht darum, wie die Verantwortung im Unternehmen verteilt ist.

Wer es am besten weiss
Wie wird Agilität in Organisationen gemessen? Am unmittelbarsten einschätzen können diese wohl die Mitarbeitenden selbst. Der Königsweg ist dabei eine Mitarbeiterbefragung, bei der jedes Mitglied der Belegschaft einen Fragebogen erhält. Durchgeführt werden sollte die Befragung durch ein unabhängiges Institut, das die Vertraulichkeit garantiert. Mittels Benchmarking lassen sich Vergleiche zwischen Unternehmen ziehen und branchenübergreifende Trends ablesen. icommit, der Schweizer Spezialist für Mitarbeiterbefragungen, führt jährlich eine umfassende Befragung bei mehr als 100 Unternehmen in der Schweiz und Liechtenstein durch. Die Unternehmen mit den besten Bewertungen werden in vier Grössenkategorien mit dem Swiss Arbeitgeber Award ausgezeichnet.

Swiss Arbeitgeber Award 2019: Top 3 Unternehmen nach Grössenkategorie.

Der diesjährige Swiss Arbeitgeber Award wurde am 22. August 2019 im Lake Side Zürich verliehen. Dem feierlichen Anlass vorangestellt war ein nachmittagsfüllendes Workshop-Programm. Zum Fokusthema «Mitarbeiterbefragungen – Auslaufmodell oder Aufbruch zu neuen Ufern?» referierte unter anderem Prof. Sybille Sachs, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und Professorin für Betriebswirtschaft. Sie zeigte in ihrem Vortrag, dass es gerade für agile Organisationen zentral ist, auf einen hohen Anteil an committeten Mitarbeitenden zählen zu können. Denn committete Mitarbeitende zeichnen sich durch eine ausgeprägte intrinsische Motivation aus und sehen sich in der Verpflichtung, dass das Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich ist. Durch ihre emotionale Verbundenheit mit dem Arbeitgeber möchten sie auch stolz auf ihren Arbeitgeber sein. Sie ziehen daher bei der Arbeit den «WIR-Hut» an und streben damit auch nicht nach reiner Optimierung der eigenen Bedürfnisse. Sie haben eine grosse Bereitschaft, für das Unternehmen aus der Komfortzone in die Entwicklungszone zu wechseln und sind bereit, Risiken einzugehen und Herausforderungen anzugehen, denn sie erkennen den Sinn dieser Anstrengung. Mit Hilfe wissenschaftlich validierter Mitarbeiterbefragungen gelingt es einerseits herauszufinden, wie viele committete Mitarbeitende sie in ihrem Unternehmen haben und welche organisationalen Rahmenbedingungen sie schaffen müssen, damit der Anteil committeter Mitarbeitender steigt.

Die Befragung als nachhaltiges Feedback-Instrument
Für Personalverantwortliche und für die Geschäftsleitung ist die Mitarbeiterbefragung ein zentrales Instrument, um den Erfolg von Entwicklungsmassnahmen zu erfahren und das Potenzial für Verbesserungen zu erkennen. Selbst während Veränderungsprozessen bietet eine Mitarbeiterbefragung die Chance, bei den Mitarbeitenden ihr differenziertes Urteil zu erfahren und damit Veränderungen sorgfältig planen und kommunizieren zu können. Insgesamt haben 2019 121 Unternehmen am Swiss Arbeitgeber Award teilgenommen, 28’711 Einzelpersonen haben den Fragebogen ausgefüllt.

Die Beteiligung der Mitarbeitenden an der Befragung war sehr hoch. 77% aller Fragebogen wurden beantwortet. 2010 lag die Teilnahmequote noch bei 66% und ist seither stark gestiegen. Diese Zunahme ist ein Indiz dafür, dass die Mitarbeitenden ein steigendes Interesse signalisieren, Verantwortung zu übernehmen und ihre Arbeitssituation aktiv mitzugestalten. Gerade in Unternehmen, die regelmässig Befragungen durchführen, steigt die Beteiligung und verdeutlicht damit die Wichtigkeit dieses Feedback-Instrumentes auf Team-, Abteilungs- und Unternehmensebene.

Die Zahlen sprechen für sich
In diesem Jahr wurden im Fragenkatalog zum Swiss Arbeitgeber Award zum dritten Mal Aussagen zur Agilität der Organisation bewertet. Die Aussagen wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Antoinette Weibel von der Universität St. Gallen konzipiert. Sie geben einen Einblick in die Schlüsselfaktoren von Agilität. Dazu gehören Kriterien wie ein hohes Mass an Vertrauen, die Möglichkeit, Entscheide selbstständig zu treffen, ein günstiges Klima für Innovationen und eine offene Fehlerkultur. Aus dem Mittelwert aller Einzelitems errechnet sich der Agilitäts-Index.

Eine Branchenanalyse ergibt ein doch sehr spannendes Ergebnis: Mit Abstand am Agilsten ist die Informatikbranche, was nicht weiter erstaunlich ist, denn aus dieser Branche stammen diverse agile Arbeitsformen. Auf Platz zwei kommt überraschenderweise das Ingenieurwesen/Architektur. Und auf Platz drei die Medizinaltechnik. Interessant ist überdies, dass die Energiebranche den vierten Platz erreicht. Von Agilität wenig am Hut haben die Branchen «Schulen», gefolgt von «Sozialversicherungen/Pensionskassen» und dem «Grosshandel».

Statistische Analysen ergaben zudem, dass die Agilität eines Unternehmens signifikant positive Zusammenhänge mit sämtlichen organisatorischen Rahmenbedingungen aufweist, die im icommit-Messmodell erfasst werden. Darunter finden sich inhaltlich naheliegende Faktoren wie der Umgang mit Veränderungen, das Wissensmanagement oder die Einbindung und Förderung der Mitarbeitenden.

Warum ist das so wichtig? Die Zeiten, als der Grossteil der Mitarbeitenden noch für die gesamte Berufslaufbahn im selben Unternehmen blieb, sind längst vorbei. Gut ausgebildete Fachkräfte sind auf dem Arbeitsmarkt hart umkämpft. Arbeitgeber müssen sich die Loyalität der Mitarbeitenden heute erarbeiten, um sie langfristig an das Unternehmen zu binden. Agile Organisationen zeichnen sich durch hohes Commitment aus, welches sich aus Leistungsbereitschaft und Zugehörigkeitsgefühl zusammensetzt. Auch wurden agile Organisationen als deutlich attraktivere Arbeitgeber bewertet, was sich unter anderem im besseren «Spirit» (Arbeitsklima/Stimmung) und zuversichtlicheren Erwartungen für die Zukunft äussert. Zu guter Letzt geht mit Agilität eine höhere Gesamtzufriedenheit mit der Arbeitssituation einher.

Die Ergebnisse aus den Mitarbeiterbefragungen legen daher nahe, dass erfolgreich gelebte Agilität in einem Unternehmen nicht primär Unsicherheit und Widerstand auslöst, sondern sogar Zuversicht und Vertrauen in eine erfolgreiche Zukunft bewirken kann.

Sven Bühler

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