Die VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) stellt neue Herausforderungen an Unternehmen und ihr Management. Auch das Personalwesen bleibt davon nicht verschont. Hier stellt sich angesichts steigender Fluktuationsraten und zunehmendem Fachkräftemangel die Frage, welche Mitarbeitenden Unternehmen im neuen Marktumfeld zum Erfolg führen. Wie neuste Forschung aufzeigt, stellt das Commitment ein entscheidender Erfolgsfaktor dar.
Die moderne Wirtschaftswelt wird oft als VUCA-Welt bezeichnet. Ursprünglich wurde der Begriff vom US-Militär verwendet, um die zunehmende Komplexität der Weltpolitik der späten 1990er-Jahre zu beschreiben. Die VUCA-Welt verändert das unternehmerische Ökosystem grundlegend. Konkurrenzsituationen, Kundenpräferenzen und technologische Möglichkeiten ändern sich fortlaufend. Es herrscht eine allgemeine Wahrnehmung von Instabilität und Unsicherheit. Dies erfordert auch ein Umdenken im Management.
Früher hatten diejenigen Unternehmen den grössten Erfolg, die wie Maschinen funktionierten: klar strukturiert, spezialisiert und hierarchisch organisiert. Daher orientierten sich Unternehmen, die erfolgreich sein wollten, am Taylorismus und seinem Konzept der wissenschaftlichen Betriebsführung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich jedoch gezeigt, dass sich nur wenige tayloristisch organisierte Unternehmen unter den Standard & Poor’s Top 500 halten können. Stattdessen gewinnen Firmen an Schwung, die dynamische Fähigkeiten haben, und sich dadurch leichter an die rasch wandelnden Umstände anpassen können.[1]
In diesem neuen Umfeld stellen sich auch für das Personalmanagement neue Herausforderungen. So lautet eine Frage, die heute viele HR-Fachleute beschäftigt: Welche Art von Mitarbeitenden führen Unternehmen in dieser zunehmend komplexen und digitalen Welt zum Erfolg?
Als eines der führenden Befragungs- und Beratungsunternehmen im Bereich Personalmanagement hat sich icommit dieser Frage angenommen und in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) ein Innosuisse Projekt durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie liegen nun vor.
Zukunftsfähigkeit durch committete Mitarbeitende
Im Verlauf der Studie hat sich gezeigt, dass Unternehmen heute angesichts der Herausforderungen der VUCA-Welt mehr denn je auf Mitarbeitende angewiesen sind, die sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, Verantwortung für dieses übernehmen und dazu bereit sind, die «Extrameile» zu gehen. Diese drei Aspekte (Identifikation, Verantwortung und Hingabe) werden auch unter dem Begriff «Commitment» zusammengefasst. Nicht alle Mitarbeitenden binden sich aber durch Commitment an ihr Unternehmen.
Drei verschiedene Bindungstypen
Mit Blick auf die Organisationsforschung[2] lässt sich die Art, wie sich Mitarbeitende an ihr Unternehmen binden, in mindestens drei verschiedene Typen einteilen: in Bindung durch Commitment, in Bindung aufgrund mangelnder Alternativen sowie in Bindung aus Berechnung.
Mitarbeitende, denen die Alternativen fehlen, sind oft sehr stark an ihr Unternehmen gebunden. Dafür besteht bei ihnen die Gefahr, dass es ihnen an Motivation fehlt, sich für die Ziele ihres Unternehmens einzusetzen, da sie sich zu wenig damit identifizieren.
Auf der anderen Seite können Mitarbeitende, die sich aus Berechnung an ihr Unternehmen binden, zwar sehr engagiert sein, allerdings tun sie dies eher aus eigenem Interesse als im Interesse des Unternehmens. Dies kann dazu führen, dass ihre Verbindung zum Arbeitgeber eher schwach ausgeprägt ist und sie bei einem besseren Stellenangebot schnell wieder weiterziehen.
Committete Mitarbeitende zeichnen sich dagegen durch verschiedene Vorteile aus. Sie weisen einen starken Willen auf, sich für das Unternehmen und dessen Ziele einzusetzen und haben ein hohes Verantwortungsgefühl für die Organisation. Committete Mitarbeitende sehen sich als Dienstleister im Sinne des Unternehmens und dessen Kunden und tragen den WIR-Hut, sobald sie in das Unternehmen kommen, und schaffen damit einen Perspektivenwechsel.
Geringere Fluktuationsabsicht
In der VUCA-Welt benötigen Unternehmen Mitarbeitende mit besonderen Fähigkeiten und hohem Innovationspotential, deren Rekrutierung oft sehr aufwändig ist. Jeder Austritt von Fachkräften bedeutet einen Verlust von Know-how und ein zusätzlicher Aufwand für die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Personen. Der Konkurrenzkampf um solche Fachkräfte hat sich nicht zuletzt aufgrund der ansteigenden Welle von Pensionierungen der Babyboom-Generation in den letzten Jahren intensiviert und wird sich weiter akzentuieren. Dies wird daher auch als «Krieg um Talente» (war for talents) bezeichnet.
Ein entscheidender Vorteil von Mitarbeitenden mit hohem Commitment besteht nun genau darin, dass sie eine geringe Fluktuationsabsicht aufweisen und seltener als andere dazu neigen, Unternehmen zu verlassen.[3] Damit tragen sie dazu bei, Ressourcen bei der Rekrutierung und Einarbeitung einzusparen, die dann in die Innovation und Weiterentwicklung des Unternehmens investiert werden können.
Hohe intrinsische Motivation
Eine zweite bedeutende Qualität von Mitarbeitenden mit hohem Commitment besteht darin, dass sie von sich aus motiviert sind, sich für die Interessen ihres Unternehmens einzusetzen. Auch diese intrinsische Motivation kann in der VUCA-Welt erfolgsentscheidend sein. Denn Mitarbeitende mit extrinsischer Motivation tendieren dazu, in ihrem eigenen Interesse zu handeln. Die Ziele und Interessen des Unternehmens spielen für sie eine untergeordnete Rolle. Ihr Arbeitsstil ist eher reaktiv oder kann sogar destruktiv sein.
Committete Mitarbeitende haben dagegen ein proaktives Mindset und versuchen ihr Unternehmen konstruktiv mitzugestalten. Sie legen also ein Verhalten an den Tag, das dem Unternehmen langfristig dient. Zudem sind sie eher gewillt, sich dynamisch den ändernden Umständen der VUCA-Welt anzupassen.[4]
Des Weiteren neigen committete Mitarbeitende zu höherer Arbeitsleistung, weniger Stress, weniger Absentismus sowie zu einer höheren Arbeitszufriedenheit als ihre Kolleginnen und Kollegen.[5] Alle diese Qualitäten sind in der VUCA-Welt von hohem Wert.
Ein Messinstrument für Commitment
Aus den obengenannten Gründen hat icommit in Zusammenarbeit mit der HWZ seine Messinstrumente für Mitarbeitendenbefragungen weiterentwickelt, um noch präziser diejenigen Einflussfaktoren zu identifizieren, die sich massgeblich auf das Commitment von Mitarbeitenden auswirken. Auf diese Weise können gezielt Massnahmen abgeleitet und umgesetzt werden, die eine Arbeitswelt schaffen, die das Commitment der Mitarbeitenden positiv beeinflusst.
Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer Serie zum Thema Mitarbeitenden-Commitment. Nachdem in dieser Ausgabe die Grundlage und Wichtigkeit des Commitments beschrieben und erklärt wird, beleuchten wir in den folgenden Heften das praxisnahe Vorgehen zur Messung und Erhöhung des Commitments, um abschliessend noch auf die wichtigsten Treiber und konkreten Handlungs-anleitungen zur Steigerung von Commitment einzugehen.
Quellen
[1] Vgl. Aghina et al. (2018)
[2] Vgl. Klein et al. (2012, 2017)
[3] Vgl. Dick (2017) und Felfe/Six (2006)
[4] Vgl. Mostafa et al. (2019), Felfe/Six (2006) und Dick (2017)
[5] Vgl. Felfe/Six (2006)
Aghina, W. (2018). The five trademarks of agile organizations. https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/the-five-trademarks-of-agile-organizations (13.12.2019)
Dick, R. van (2017). Identifikation und Commitment fördern. Göttingen: Hogrefe.
Mostafa, R., Sachs, S., Stutz, C. (2019). Innosuisse-Projekt: Commitment als wesentlicher Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Unveröffentlicht.
Felfe, J., Six, B. (2006). Die Relation von Arbeitszufriedenheit und Commitment. In: Fischer, L. (Hrsg.): Arbeitszufriedenheit. Konzepte und empirische Befunde. Göttingen: Hogrefe. 37-60.
Johnson, R. E., Chang, C.-H., & Yang, L.-Q. (2010). Commitment and motivation at work: The relevance of employee identity and regulatory focus. Academy of Management Review, 35(2), 226–245.
Klein, H. J., Brinsfield, C. T., Cooper, J. T., & Molloy, J. C. (2017). Quondam Commitments: An Examination of Commitments Employees No Longer Have. Academy of Management Discoveries, 3(4), 331–357.
Klein, H. J., Molloy, J. C., & Brinsfield, C. T. (2012). Reconceptualizing workplace commitment to redress a stretched construct. Academy of Management Review, 37(1), 130–151.
Autorenbeschrieb
Dr. des. Simon Foppa ist Projektleiter für Mitarbeitendenbefragungen bei icommit. Die icommit GmbH ist ein Befragungs- und Beratungsunternehmen, das über eine umfassende Expertise im Bereich des Mitarbeitenden-Commitments verfügt.
Originalbeitrag zum Herunterladen
Dieser Beitrag ist in der März-2020-Ausgabe von «Der HR-Developer» erschienen.
Beitrag als PDF-Download verfügbar: Commitment als Erfolgsfaktor in der VUCA-Welt, Der HR-Developer